14. Trekkingtag, „Von Lobuche (4910m) nach Pangboche (3930m)"


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Heute früh kommt Abschiedsstimmung auf, wir sind auf dem Rückweg. Tendi scheint wieder vollkommen „fit" und nimmt seine gewohnte Position am Ende der Schlange ein. Bis Dughla wandern wir auf bekanntem Pfad - natürlich bei wiederum herrlichem Oktoberwetter. Ein längerer Halt ist am Thoklapass fällig, dem Ort der Gedenksteine, wo wir schon beim Anstieg rasteten. Wir beobachten fünfzehn Bergsteiger im Gipfeleis des

Lobuche East (6119m). Sie befinden sich bereits im Abstieg. Von hier unten macht der Gletscher einen ungemein steilen Eindruck. In der Magengrube stellt sich unwillkürlich ein Gefühl von Gefahr ein, ohne Bezug zur tatsächlichen Situation der fünfzehn „Pünktchen" dort oben. Darein mischt sich noch eine weitere Empfindung, so ein „Ziehen". Ja, ich wäre gerne einer von diesen fünfzehn, avancierte gerne vom Trekker zum Expeditionsbergsteiger.

Lobuche liegt schon 20 Minuten hinter uns
Auf dem Rückweg: Kurz vor dem Dughlapass mit Blick auf den Taboche

 

Dazu müsste ich aber wieder einmal hierher kommen und all die Entbehrungen wieder auf mich nehmen, vielleicht in noch viel stärkerem Maße auf die Grundbedürfnisse reduziert. Will ich das? Nein, im Moment bin ich entschlossen Ähnliches nie wieder zu unternehmen. Ob das Bestand haben wird? Wäre mir der Verzicht auf alles Mögliche auch dann so schwer gefallen, wenn ich die Zahnschmerzen und den Durchfall nicht bekommen hätte?

Ines vor dem Lobuche East 6119m Ines am Dughla-Pass. Dort oben im Gipfeleis des Lobuche bewegen sich 15 Bergsteiger

Nach der 300-Meter-Steilstufe des Thokla-Passes und der Lodge von Dughla gilt es die Brücke über den Lobuche Khola zu passieren. Leichter gesagt als getan. Just in diesen Minuten treffen hier mehrere Trekkergruppen, Träger und Yak-Transporte zusammen, wollen in beiden Richtungen über den schmalen Steg. Wer Vorfahrt hat? Diese Frage kann nur stellen, wer noch nie einem der massig-trägen, zwar gutmütigen aber unbeirrbar vorwärts stapfenden Yaks begegnet ist. Ihre weit ausladenden Hörner und die breite Gestalt flößen Respekt ein. Also tritt man zur Seite. Damit kein Irrtum entsteht: Es gibt wirklich nicht den mindesten Grund sich vor den Tieren zu fürchten. Sie sind genauso friedliebend wie die Menschen der Gegend und wirken letztendlich so malerisch in dieser Umgebung, wie die Kühe im heimischen Allgäu. Fellbepackt, wie sie sind, haben sie auch was von einem Teddybär und wer hat schon Angst vor einem Teddybär ..? - Also erst die Yaks, dann die keuchenden Träger und schließlich - mehr oder weniger ungeordnet - die verschiedenen Trekker. Ein bisschen „action" an einem weitgehend ereignislosen Tag.

Danach geht es erneut 300 Meter hinab, bis sich die ungewöhnlich breite Talsohle vor Pheriche öffnet. Ab hier marschiert man noch gut eine Stunde bis Pheriche, mit kaum merklichem Gefälle, mal über den Fluss, dann wieder durch Buschwerk, über Grasflächen oder auch kiesige Untergründe. Seit geraumer Zeit schon steht uns ein ziemlich schneidender, ekelhaft kalter Wind im Gesicht. Grund genug sich warm anzuziehen, was ich dann auch Stück für Stück tue. Ein Wind der krank machen kann, irgendwie fühle ich das. Er bläst mit konstanter Stärke aus Richtung Tal. Unter unseren Sohlen wirbelt er eine Menge Staub auf, der sogar zum Husten reizt. Mit Hunger im Bauch wird die karge Ansammlung von Steinhütten und Lodges, die als „Pheriche" in der Karte steht, zu einem willkommenen Ort.

Kartenausschnitte für diesen Tag
Lobuche - Pheriche Pheriche - Tengboche Zum Anfang
Einige Links zu diesem Tag

 

Im äußeren verglasten Panorama-Gastraum der Lodge - dieselbe übrigens, in der wir beim Anstieg nächigten - läuft dann das allmittägliche Bestellritual ab: Tendi bringt Speisekarte und Bestellbuch. Einer nach dem anderen studiert die immer wieder sehr ähnliche Speisenauswahl, trägt seine Entscheidung in das Buch ein oder macht vor einem Gericht einen weiteren Strich. Wenn Tej oder Tendi das Bestellbuch in die Küche bringen ist schon eine Viertelstunde vergangen und beginnt das Warten ... Es zieht wie Hechtsuppe in diesem Glaskasten. Zu einem fensterlosen Nebenraum gibt es eine offene Luke, durch die der Wind pfeift. Auf mein Meckern hin stellt Ines meinen Rucksack vor das Loch, wonach es etwas besser wird. Mehr oder weniger teilnahmslos lehne ich sitzend an der Glasscheibe und beobachte die Anderen. Lesend, dösend, umherblickend sitzen sie da, keiner unterhält sich. Irgendeine Illustrierte wandert von einem zum anderen und löst ein wenig Heiterkeit aus, es ist wohl ein englischsprachiges Blatt mit Kontaktanzeigen. Wie kommt so was hier her und was macht das hier für einen Sinn? Kontaktanzeigen? - Das Essen kommt, Potatoe Chips mit Ketchup, eine Art Pommes Frites in Sojaöl frittiert. Immer häufiger habe ich das in letzter Zeit gegessen, eine Art „kulinarischer Protest" gegen das tägliche Reis-Kartoffel-Einerlei.

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Wir zahlen und machen uns wieder marschbereit. Unterdessen ist schon ein Gutteil des Himmels bewölkt. Die Sonne hat an Kraft verloren, verschwindet zeitweise. Noch kälter fährt der Wind in alle Kleidungsöffnungen. Die Sicht wird immer schlechter und meine Stimmung differiert nur unwesentlich ... Pangboche beendet nach etwa einer Stunde meinen aufkommenden Trübsinn. Bei der Zimmerverteilung hat Tendi (oder war es Tej?) ein Herz für das einzige Ehepaar der Gruppe. Er schanzt uns das helle Eckzimmer im ersten Stock zu, mit zwei Fenstern und einem Doppelbett.

 

Kaum zu glauben aber wahr: Es beginnt zu regnen! Ein Nieseln zwar nur aber immerhin. Es ist das zweite und zugleich letzte Mal während der 23 Tage, dass Nässe vom Himmel fällt. Jemand hat unseren grünen Plastikeimer, den die Träger von Lodge zu Lodge mitschleppen, draußen auf eine Steinbrüstung gestellt und mit heißem Wasser gefüllt. Ich hole Seife und Handtuch, um mir den Staub des Tages vom Gesicht zu waschen. Heute fühle ich mich, nach etlichen Tagen ohne Körperpflege, zum ersten Mal wirklich schmutzig und auch verschwitzt. Ein wenig muss ich warten und zusehen, wie sich Matthias die Haare wäscht. Da weiß ich, ich will das auch. Vernünftig ist es nicht, in dieser Kälte und im Nieselregen stehend. Dennoch erfülle ich mir den Wunsch und fühle mich danach wirklich besser.

 

Eine halbe Stunde später finden wir uns im kalten Gastraum der Lodge wieder. Es hat nun keinen Zweck mehr, sich etwas vor zu machen: Ich habe Halsschmerzen. Eine Weile schon spürte ich das Kratzen, ignorierte es aber einfach. Wird mich nun auch eine Erkältung malträtieren? Missmutig denke ich Sätze, die mein Hadern mit dem Schicksal formulieren. Erst nachdem der Ofen angeheizt ist, wird es angenehm warm. Mit den üblichen Tätigkeiten warten wir dem Abendessen entgegen. Nach und nach treffen die anderen ein. Manche hatten sich für eine Weile „auf´s Ohr gelegt". Nach dem Abendessen löst sich die Gruppe schnell auf, zuletzt sitzen nur noch Lars, Hans-Jörg, Ines und ich zusammen. Hans-Jörg erzählt von seiner Leidenschaft zu Hause, dem Drachenfliegen. Ines und Lars spornen seine Erzählungen immer wieder mit neuen Fragen an und so wird der Abend schnell älter. Zuletzt bleiben Lars und Hans-Jörg alleine zurück und wir kriechen in unserer „Suite" in die zu einem verbundenen Schlafsäcke. Es wird die zweite Trekkingnacht, die mir einen wirklich guten Schlaf gönnt - trotz der Halsschmerzen.

 

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